Romantik der Regale
Die Ehe von Andrew, Nicky und ihren Regalen
Von: Jane Audas
Fotos: Becky Earley, Julia Cody und Vitsœ
Die Romantik der Regale ist ein viel zu wenig erforschtes Thema. Wer meint, dass es darüber nicht so viel zu sagen gibt, irrt sich. Letztes Jahr im Frühsommer erhielt Robin Maude (ein Vitsœ-Planer in London) einen Anruf von einem Kunden, der wissen wollte, ob es möglich wäre, bei Vitsœ eine gesamte Hochzeitsliste einzurichten.
Andrew Pavitt und Nicky Lawler lernten sich über Freunde kennen. Erst im Nachhinein merkten sie, dass es vielleicht ein sanfter Versuch war, sie zu verkuppeln. Sie gingen getrennte Wege und trafen sich erst bei einer Ausstellung im Fahrrad-Café „Look mum no hands!“ in der Londoner Old Street wieder, in der Andrew gerade seine Linolschnitte zeigte. Nicky war dort, um einen Linoldruck für ihren Vater zu kaufen. Was folgte war fast altmodisch. Andrew erinnert sich an zahlreiche Ausflüge zu Galerien und an Theaterbesuche, um Tanz zu sehen – und an die allmähliche Erkenntnis, dass er und Nicky ähnliche Interessen hatten und sich gerne mochten. Etwa zehn Jahre später beschlossen sie zu heiraten. Nicky erzählt: „Im März fragte er, ‚Sollen wir heiraten?‘, und ich antwortete, ‚Ist das dein Ernst?‘, weil es so unerwartet war.“ Für Andrew waren es die Nachwirkungen der Lockdowns und die Erfahrung der Brüchigkeit unserer Welt, die ihn zu diesem Schritt bewogen. „Es hat sich stark angefühlt, so eine Bindung einzugehen.“
Andrew und Nicky haben ein wunderbares Haus in Roehampton in London, das 1968 von dem Architekten Peter Hutchinson entworfen wurde. Es ist durchgehend weiß und hell, mit einer Glaswand im Wohnzimmer und einem Dachfenster, das das Treppenhaus mit Licht durchflutet. Alles ist aufgeräumt und übersichtlich, was ziemlich überraschend ist, wenn man bedenkt, dass hier zwei Kreative wohnen, die viel von zu Hause aus arbeiten. Nicky erhielt ihre Ausbildung bei Cordwainers (jetzt Teil des London College of Fashion) und arbeitet bei Vivienne Westwood, wo sie Schuhe zum Flanieren entwirft. Andrew arbeitet einen Teil der Woche bei Labour and Wait, einer eindrucksvollen Eisenwarenhandlung, und den Rest der Zeit als Illustrator und Künstler. Er hat an der Chelsea School of Art Malerei studiert und ist nach einer Periode als Werbegrafiker nun wieder als Künstler tätig.
Andrew und Nicky haben viele materielle Dinge angesammelt, die man im Leben gut brauchen kann, aber das Regalsystem 606 war lange auf ihrer Wunschliste, ohne dass sie es sich gekauft hätten. Dann kam ihnen der Gedanke, dass Freunde und Familie, die ihnen etwas schenken wollten, vielleicht zu dem Regalsystem beitragen könnten. Die Idee für ihre unkonventionelle Hochzeitsliste hatten sie schon früh im Planungsprozess für die Hochzeit. Aber sie wussten nicht, wie sie sie umsetzen sollten. Schließlich rief Andrew Vitsœ an und sprach mit Robin. Obwohl es ein ungewöhnlicher Wunsch war, war es nicht das erste Mal, dass Vitsœ so etwas möglich gemacht hatte. Robin musste nach dem Anruf ein wenig nachdenken. „Als sie mich anriefen, wusste ich nicht, dass die Hochzeit schon in sechs Wochen stattfinden würde.“ Aber Robin lieferte natürlich. Andrew und Nicky erhielten umgehend eine Zeichnung eines Regalsystems 606, in dem die Regale so angeordnet waren, dass sie das Wort LOVE buchstabierten. Der Raum in der Zeichnung war beschriftet mit „Going to the chapel“, und der Bereich innerhalb des Raumes trug die Aufschrift „Going to get married“.
Nicky war die Hochzeitsplanerin, was auch zeigt, wie sehr sich die beiden in ihrer Beziehung ergänzen. Andrew erklärt: „Der Tag, an dem wir uns verlobten, war wunderbar. Und auch der Hochzeitstag war wunderschön. Aber das alles zu planen…. Ich muss zugeben, dass es mich sehr gestresst hat. Es ist nicht meine Stärke. Nicky dagegen ist ein Naturtalent, sie kann alles Mögliche planen. Sie ist eine hervorragende Logistikerin.“ Und so heirateten Andrew und Nicky im August 2022, an einem der heißesten Tage des Jahres, als England leicht dahinschmolz. Von einem frischen Wind umweht lieft das frisch verheiratete Paar zu Fuß vom Standesamt zu ihrem Empfang im Ruderclub auf Eel Pie Island, ganz in der Nähe ihres Wohnorts. Der Ruderclub war zum Glück klimatisiert (wahrscheinlich für all die überhitzten Ruderer), so dass die Reden, das Abendessen und die Party von einer wohltuenden Kühle begleitet wurden. Andrew organisierte die Musik, entwarf einen sehr schicken Bierdeckel als Souvenir und hielt eine Rede – was normalerweise nicht wirklich sein Ding ist. Zu den Gästen gehörten Andrews achtzigjährige Mutter, sein Onkel, Nickys Schwester und ihre Familie aus Panama in Mittelamerika. Nickys Nichte trug während des Gottesdienstes ein Gedicht vor und die beiden Neffen bewachten die Eheringe.
Nicky trug natürlich Vivienne Westwood – die Meisterin darin war, erwachsene Fantasiekreationen für echte Frauen zu schaffen. Das Kleid aus wunderschöner blassblauer Seide wurde von Kolleginnen speziell für sie angefertigt: einschultrig, bodenlang und mit einer Schleppe, die mit einer Handschlaufe versehen war, so dass man sie beim Tanzen hochnehmen konnte. Dazu trug Nicky ein Paar Sandalen aus dem Westwood-Archiv. Sie hätte sich das Kleid nie selbst ausgesucht, sagt Nicky, sondern wurde von Kolleginnen überredet, die wussten, wovon sie sprachen. Auf den Hochzeitsfotos sieht man, dass Nicky das Kleid trägt (und nicht das Kleid sie). Sie fühlt sich offensichtlich wohl und sieht fabelhaft aus. Andrew trug einen Anzug aus petrolblauem Leinen von Old Town und ein Paar Turnschuhe von Novesta. Old Town wird bei Labour and Wait verkauft, so dass er nicht nur bequem und stilvoll gekleidet war, sondern auch in einem Material, das ihm sehr vertraut ist.
Nach der Hochzeit wurde das von Familie und Freunden geschenkte 606 umgeplant, so dass es Nicky und Andrews Bedürfnissen entspricht (statt nur LOVE zu buchstabieren). Ihr helles, malerisches Wohnzimmer hat nun zwei Regalsysteme. Sowohl einzeln als auch gemeinsam haben sie Möbel und Kunst aus dem 20. Jahrhundert gesammelt. Beide besaßen Sofas aus den 50er und 60er Jahren, die nun neu bezogen sind und vereint im Licht unter der riesigen Glaswand stehen. Die neuen Regale haben Nicky und Andrew dazu motiviert, sich mehr mit Innenarchitektur zu beschäftigen. Andrew hat seine Kunstsammlung endlich rahmen lassen, darunter ein wunderschönes kleines Aquarell von Michael Rothenstein, das nun neben dem 606 hängt. (Bevor die Regale kamen, hing nichts an der Wand.) Die Bücher in den neuen Regalen befassen sich hauptsächlich mit Kunst und Schuhen. „Andrew ist ein ziemlicher Streber; sein Wissen in den Feldern, für die er sich interessiert, ist fast enzyklopädisch“, sagt Nicky. „Er kauft Bücher nicht nur, sondern liest sie auch – stundenlang.“
Sie genießen es, endlich ein 606 im Haus zu haben. Andrew erklärt: „Es macht Freude, etwas zu benutzen, das so gut funktioniert. Das haben wir beide schon immer sehr zu schätzen gewusst. Und es ist auch der Grund, warum ich so gerne bei Labour and Wait arbeite, wo es um Langlebigkeit und Funktionalität geht. Es macht einfach Spaß, gute Dinge benutzen.“ So wie ihre Hochzeit ganz in ihrem Stil war (ein wunderschönes und unvergessliches Zusammentreffen von Familie und Freunden), so ist auch das dazugehörige Hochzeitsgeschenk genau auf sie abgestimmt und passt zu ihrem gemeinsamen Leben.