Modular world
Eine Ausstellung zu Dieter Rams’ Systemmöbeln ist im kürzlich eröffneten Schaudepot von Vitra zu sehen.

Worte und Fotos: Vitsœ

Termine

Vitra Design Museum

Schaudepot
Weil am Rhein
79576
Deutschland

17. November 2016 – 12. März 2017  

In einer Welt, die das Neue allzu oft dem Besseren vorzieht, stehen die Systemmöbel von Dieter Rams entschieden für sein gestalterisches Ethos, das Anpassungsfähigkeit und Langlebigkeit anstrebt. Die Ausstellung „Dieter Rams: Modular World“, die am 17. November 2016 eröffnete, setzt Rams’ Systemdenken ein Denkmal.

1989 eröffnet, beherbergt das Vitra Design Museum heute eine der weltweit größten Privatsammlungen von Möbeln – mit Objekten vom 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart.

Heng Zhi, die Kuratorin von „Modular World“, hat das Ausstellungskonzept nach einem Besuch von Dieter Rams’ Wohn- und Atelierhaus in Kronberg entwickelt. „Ihn dort in diesem Raum zu erleben, der konsequent nach seiner Philosophie gestaltet ist, umgeben von Möbeln, die seit Jahrzehnten in Gebrauch sind, lieferte die sichtbare Antwort auf die Fragen, warum er Trends als ’Unsinn’ empfindet und wie Design vernünftig, ehrlich und zeitlos sein kann. Mich beeindrucken seine Möbel so sehr, weil sie tatsächlich funktionierende Lebenslösungen bieten“, berichtet Heng Zhi.

Dieter Rams zushause. Fotografiert von Michael Kretzer

„Manchmal werden seine Thesen für gutes Design missverstanden. Wenn er beispielsweise konstatiert, dass ‘gutes Design so wenig Design wie möglich’ bedeutet, dann geht es ihm nicht um sterilen Minimalismus, sondern um schlichte, im besten Wortsinn unspektakuläre Gestaltung von Möbeln, die hinter den Objekten und dem Leben, mit dem sie gefüllt werden, verschwinden.“

Während ihres Besuchs in Kronberg diskutierte Zhi mit Rams über sein Plädoyer für ehrliches Design, das Funktionsweisen offenlegt: „Gestalterische Kriterien, die heute als selbstverständlich gelten, waren für das damalige Publikum schwer zu akzeptieren. Schrauben und Bolzen wurden traditionell hinter Kissen oder Holzvertäfelungen versteckt. Pioniere wie Rams haben hier eine entscheidende Entwicklung vorangetrieben. Das Schaudepot bietet einen Ort, um diese Evolution im Design zu sehen und zu begreifen.“

„Als wir das Regalsystem 606 für die Sammlung aufbauten, waren wir allesamt erstaunt, wie unaufdringlich es ist. Uns war schnell klar, dass genau hierin die Stärke von Rams’ Ansatz liegt. Das Design gehört tatsächlich dem Nutzer, statt sich darin zu erschöpfen, die Persönlichkeit des Gestalters auszudrücken. Darin liegt seine zeitlose Gültigkeit.“

Dieter Rams 1971 im Frankfurter Vitsœ Shop. Fotografiert von Ingeborg Kracht-Rams

Besucher können in der Ausstellung neben den bekannten Vitsœ Möbeln, die noch heute produziert werden, weniger verbreitete Entwürfe von Rams entdecken: zum Beispiel das System 740, das auf runden, stapelbaren Elementen basiert und von japanischen Sitzmatten inspiriert ist.

Außerdem ist eine Auswahl an Elektrogeräten aus seiner Zeit als Produktdesigner bei Braun von 1955 bis 1997 zu sehen. „Die ausgewählten Stücke gehören zu den Schlüsselwerken, die seinen enormen Einfluss auf das heutige Design von elektronischen Geräten zeigen“, erläutert die Kuratorin.

„Modularität ist ebenso zentral für das Sesselprogramm 620 wie für die Audiosysteme TG60/TS45/L450. Der ehrliche Einsatz von Materialien und die Sichtbarkeit technischer Details verbinden den Schneewittchensarg mit den Sitzmöbeln 610 und 620. In unserem Gespräch konstatierte Rams, dass, obwohl Elektronik schnell veralte, seine Möbel ein Leben lang genutzt werden können. In ihrem Systemgedanken lassen sie sich einfach an verschiedene Wohn- und Arbeitssituationen anpassen. Damit brechen sie mit der traditionellen Vorstellung, dass Möbel speziell für jeden einzelnen Raum des Hauses gestaltet werden müssen.“

Das Sesselprogramm 620, gestaltet von Dieter Rams. Fotografiert von Christoph Sagel für Appel Design Gallery, Berlin

Vitsœs Geschäftsführer Mark Adams ist am 9. März 2017 zu einem Vortrag im Vitra Design Museum eingeladen. Heng Zhi erwartet eine Diskussion von Vitsœs Credo, dass nicht Recycling, sondern konsequente Wiedernutzbarkeit das Ziel sein muss. „Dieses brandaktuelle Thema verdient in der Welt des Industriedesigns mehr Aufmerksamkeit. Wenn wir über schwindende Ressourcen und Umweltprobleme reden, denken wir automatisch an das Recyling von Materialien und Strategien. Vitsœ und Dieter Rams haben gezeigt, dass man dieser Problematik auch aus einer anderen Perspektive begegnen kann – mit zeitlosem, gutem Design.“

Dieter Rams: Modular World
17. November 2016 – 12. März 2017

Mark Adams Vortrag über den Wert des guten Designs
9. März 2017 18:30 Uhr

Vitra Design Museum
Schaudepot
79576 Weil am Rhein
Deutschland