Schönheit der
alltäglichen Dinge
Der Bau eines charaktervollen Zuhauses
Worte: Leanne Cloudsdale
Fotos: PYODesignWorkshop
„Manche Leute würden sagen, dass unser Haus nichts Besonderes ist. Aber in einer Welt voller Design wollten wir etwas schaffen, das ehrlich, nützlich und einfach ist. Dass wir ein Haus gebaut haben, das den Bedürfnissen unserer Familie perfekt entspricht, war die beste Entscheidung, die wir je getroffen haben. Wir finden, dass „nichts Besonderes“ etwas sehr Besonderes sein kann“ sagt PJ mit einem stolzen Lächeln. Die Strapazen des Eigenbauprojekts, das er zusammen mit seiner Frau Sairom am Rand von Seoul, Südkorea, in Angriff genommen hat, sind ihm nicht anzumerken.
Mit sorgfältiger Planung ist es dem jungen Paar gelungen, den Traum vom Leben in einem auf ihre Bedürfnisse zugeschnittenen Raum zu verwirklichen. Sie lernten sich an der Universität kennen, als sie beide in New York Architektur studierten. Der Wunsch, ein Haus zu bauen, das nicht den Regeln einer typischen koreanischen Wohnung entspricht, verband sie. Sairom erklärt: „In Seoul herrscht ein echter Mangel an Wohnungstypen, was meiner Meinung nach ein kultur- und sozialgeschichtlich bedingtes Problem ist. 80% aller Menschen in Südkorea leben in Wohnungen mit ähnlichem Grundriss – die Wohnungen hier sind im Grunde alle gleich, abgesehen von der Anzahl der Schlafzimmer. Die Deckenhöhe beträgt immer 2,2 Meter, die Wände sind tapeziert, es gibt zwei Bäder, einen Balkon und grelles weißes Licht, das in den Augen schmerzt, weil die Decke so niedrig ist! Als wir heirateten, wussten wir, dass wir etwas anderes wollten, obwohl wir beide in solchen Standardwohnungen aufgewachsen waren und sie für uns ganz normal waren. Wir wussten nur nicht, wie oder wann wir unseren Traum verwirklichen könnten.“
Letztendlich ging es viel schneller, als sie es sich erhofft hatten. PJ sah eine Fernsehsendung über einen deutschen Journalisten, der sich in Südkorea ein Haus gebaut hatte. Was er über seine Erfahrungen erzählte, beeindruckte PJ: „Er sagte, dass viele Koreaner all ihre Hoffnung auf die Zukunft setzen. Sie arbeiten hart und erwarten, dass andere auch hart arbeiten, aber genau das ist das Problem. Es gibt keinen Moment wie den jetzigen. Man muss einfach anfangen, auch wenn man sich nur in kleinen Schritten auf sein Ziel zubewegt. Es löste etwas in mir aus, und so fuhren wir am nächsten Tag durch einige der eher ländlichen Gebiete im Umkreis von Seoul, um den richtigen Ort zu für uns zu finden. Nach dreimonatiger Suche fanden wir schließlich ein kleines Grundstück, das uns gefiel, und wussten, dass wir nun die Gelegenheit beim Schopfe packen mussten.“
Um den Stress und die Konflikte, die ein Eigenbauprojekt unweigerlich mit sich bringt, gering zu halten, erstellten PJ und Sairom ein minutiös ausgearbeitetes Budget, so dass wenigstens die Projektkosten nicht außer Kontrolle geraten würden, was bei Bauprojekten so oft der Fall ist. Wie eine gute Ehe braucht auch ein Haus ein solides Fundament. Mit ihrer jungen Familie und begrenzten finanziellen Mitteln nutzten die beiden ihr architektonisches Wissen, um grundlegende Dinge festzulegen: Bezahlbarkeit, absolut notwendige Designelemente, Möbel, Innenausstattung. Alles wurde bedacht, sogar die Anmietung einer kleinen Wohnung in der Nähe der Baustelle, so dass sie täglich vorbeischauen und den Fortschritt der Bauarbeiten mitverfolgen konnten.
Sairom beschreibt, wie alles begann: „Wir haben es andersherum gemacht – wir haben uns darauf geeinigt, was wir nicht wollten. Das hat es viel einfacher gemacht, da wir unsere Beschränkungen schon kannten. Zum Glück ist unser Ansatz sehr ähnlich: wir mögen nichts Auffälliges oder Dekoratives. Wir finden, dass Gegenstände einen Zweck haben sollten und eine starke Identität. Wir bevorzugen einfache und geradlinige Dinge, die gut durchdacht sind und hinter denen man die Geschichte des Designs erkennt. Wir sind immer auf der Suche nach Qualität, nicht nach Extravaganz. Diese Werte haben uns bei der Gestaltung des Hauses geleitet.“ PJ lacht und ergänzt: „Man wird es kaum glauben, aber wir hatten nicht einen einzigen Streit! Vielleicht ist es das, was passiert, wenn man die Vorlieben des anderen respektiert – es entsteht Harmonie.“
Sechs Monate nachdem sie das Grundstück gekauft hatten, konnten sie schon einziehen. PJ zeigt auf das große Fenster hinter ihnen: „Das ist das größte Fenster im ganzen Haus. Wir sahen keinen Sinn darin, für viel Geld in jedem Zimmer große Fenster einzubauen, wenn die Aussicht nicht überall so toll ist. Das Badezimmer hat gar kein Fenster, weil wir wussten, dass eine gute Lüftungsanlage viel wichtiger ist, um Dampf abzuleiten und den Raum sauber zu halten.
Es war uns sehr wichtig, Schönheit in alltäglichen Dingen zu finden. Und ein klares Verständnis für die Routinen in unserer Familie zu haben: wie wir essen, wie wir Zeit zusammen verbringen und wie wir schlafen waren die wichtigsten Faktoren. Wir hatten kein Bedürfnis nach Luxusdingen wie Fitnessraum oder Heimkino, weil wir wussten, dass solche Räume sowieso meistens leer stehen. Es ging uns darum, ein Haus zu bauen, in dem nichts übergestaltet ist und in dem jeder Raum jeden Tag benutzt wird. Manchmal erinnern wir uns an die Jasper-Morrison-Ausstellung „Super Normal“, die zeigte, dass Zweckmäßigkeit oft am schönsten ist. Deshalb haben wir auch das Vitsœ Regalsystem installiert. Es funktioniert für unsere Dinge genauso wie das Haus es für uns tut: es bleibt im Hintergrund, wie ein unbeschriebenes Blatt. Erst wenn ein Künstler oder eine Künstlerin anfängt zu malen, erfährt man etwas über ihre Ideen und Identität. Sairom und ich sind beide der Meinung, dass ein Haus etwas über das Leben und die Geschichten derer aussagen sollte, die darin wohnen. Wir haben nichts zu verbergen, und da wir alles einfach halten, können wir die Dinge, die wir lieben, wirklich wertschätzen.“