Abendessenspläne
Ihr Architekturstudium hilft Hanna Geller dabei, ihre Menüs zusammenzustellen

Hannas Schokoladenkekse
Hannas Schokoladenkekse

Worte: Leanne Cloudsdale

Fotos: Vitsœ

„Ich war immer diejenige, die zu Baustellenbesprechungen Essen mitbrachte. Wenn man in einem eiskalten, halbfertigen Gebäude herumsitzt und Pläne bespricht, kann etwas Selbstgebackenes eine erstaunliche Wirkung haben. Mein Essen hat die Stimmung gehoben, alle kamen besser miteinander klar – und so liefen die Besprechungen viel reibungsloser“, erklärt Hanna Geller, die eigentlich nie eine Karriere in der Gastronomie angestrebt hat. Nach ihrem Architekturstudium entschied sie sich für die Innenarchitektur und gestaltete viele Jahre lang Innenräume für Privatkunden. Erst nach der kompletten Renovierung ihres eigenen Hauses, die sie selbst plante und 2013 fertigstellte, dachte sie an eine berufliche Umorientierung. Es war Zeit für etwas Neues.

Das Haus der Familie und Ort des „Supper-Clubs“
Das Haus der Familie und Ort des „Supper-Clubs“

Hanna begann „Building Feasts“ als Food-Blog, während sie mit ihrem vierten Sohn schwanger war. Daraus entwickelten sich Kochkurse, die sie ganz bequem in ihrer eigenen Küche abhielt. Rund zwei Jahre später gründete sie zusammen mit Jeremy Coleman, einem befreundeten Fotografen, den „Supper-Club“. Die informellen Abende, die immer sofort ausverkauft waren, fanden in Hannas geräumigen Haus im Zentrum Londons statt und wurden begeistert aufgenommen. Die Menüs waren inspiriert von saisonalen Themen oder wurden zusammen mit gleichgesinnten Kollegen geplant, und jeder Bissen wurde von Hanna zubereitet. Es war ein intimes, gemeinschaftliches Essenserlebnis, bei dem alle Gänge wie bei einem Familienessen serviert wurden – begleitet von Cocktails, die eigens von einem benachbarten Mixologen zusammengestellt wurden. Hanna lächelt als sie sich erinnert: „Es ging vor allem darum, in einer entspannten Umgebung neue Freundschaften zu schließen. Essen war nur das Mittel zum Zweck.“

Der Tisch ist gedeckt
Der Tisch ist gedeckt

Bald schon wurden die „Building Feasts“ Festessen zu einem der angesagtesten Treffpunkte in der Hauptstadt. Als aber die Pandemie kam und das gemeinsame Essen mit fremden Menschen an einem kommunalen Tisch unmöglich machte, mussten Hanna und Jeremy umdenken. Anstatt Gäste zu Hause zu bewirten, begab Hanna sich in den digitalen Raum und startete das „Monday Bake Date“. Von ihrer Küche in Maida Vale aus leitete sie diese Backtreffen, die bald Kultstatus erlangten und zu denen wöchentlich bis zu 80 Menschen per Videoanruf zusammenkamen. Sie hatte keine Ahnung, wie sich der Umzug ins Internet auf die Nachfrage auswirken würde, lacht Hanna. „Wie alle anderen auch saß ich zu Hause fest – mit vier Kindern. Am Anfang war es fantastisch, weil es plötzlich keine Regeln mehr gab. Wir blieben lange auf, aßen viel Eis und frühstückten im Bett. Es wurde ein bisschen wie ein pubertäres Schwänzerhaus, in dem jeder seinen eigenen Zeitplan und Rhythmus entwickelte. Aber als uns klar wurde, dass die Situation länger andauern würde, wusste ich, dass ich mehr tun musste – ich wollte versuchen, eine Gemeinschaft aufzubauen.“

Menschen mit Essen zusammenzubringen schien das naheliegendste, und tatsächlich machten bald Hobbyköche aus der ganzen Welt mit. Teilnehmer des „Monday Bake Date“ bekamen ein paar Tage vorher per E-Mail eine Zutatenliste zugeschickt, so dass sie genügend Zeit hatten, sich vorzubereiten. „Es war fantastisch. Ich habe sehr sorgfältig Rezepte ausgesucht, die auch ohne Backerfahrung oder spezielle Geräte zu schaffen waren. Eine Stunde lang konnten sich alle eine Pause von den Nachrichten gönnen und zusammen etwas Schönes tun. Ein Teilnehmer war in Sydney und ist um 5 Uhr morgens aufgestanden, während eine Frau in Indien um Mitternacht gebacken hat. Andere kamen aus den USA, Deutschland, Frankreich, der Schweiz und Irland dazu. Das Großartige am Kochen ist, dass es einen zwingt, sich darauf zu konzentrieren was man gerade tut. Das hilft, ein Gleichgewicht zu schaffen – man muss im Hier und Jetzt präsent sein. Ich vermisste die ‚Building Feasts‘ Kochkurse, aber durch das ‚Monday Bake Date‘ konnte ich nun Menschen auf allen Kontinenten das Kochen beibringen.“

Das letzte Detail
Das letzte Detail

Den Vorbereitungsstress von Dinnerpartys hat Hanna schon immer gescheut. Sie konzentriert sich lieber auf den sozialen Aspekt des gemeinsamen Essens als auf das Konkurrenzdenken, das in vielen Bereichen der Gastronomie vorherrscht. Als Studentin war sie der selbsternannte Mittelpunkt ihrer WG, bekannt für ihr Talent, mit wenigen Zutaten endlose Variationen köstlicher Gerichte für sich und ihre Mitbewohner zu zaubern.

Schmunzelnd beschreibt sie die Parallelen zwischen dem Kochen und ihrer früheren Arbeit als Architektin: „Planung ist alles. Damals, als ich noch Räume gestaltete, hatte jedes Projekt eine langwierige Vorbereitungsphase. Ich musste herausfinden was die Kunden mögen, wie ihr Lebensstil aussieht und was für einen Geschmack sie haben. Mit diesem Wissen fing ich an zu bauen. Zuerst das Grundgerüst, ein solides Fundament, auf dem sich dann Schicht für Schicht Stilrichtungen, Farben, Textilien, Beleuchtung und schließlich die kleinsten Details aufbauten. Wenn man ein Menü plant, ist es das gleiche Prinzip. Aus der Sicht eines Außenstehenden oder eines Gastes mag das alles mühelos aussehen, aber der Prozess beginnt lange bevor es an der Tür klingelt. Die Gäste können ja gar nicht wissen, dass ich schon beim Einkaufen am Tag zuvor in meinem Kopf gekocht, den Zeitplan für das Braten des Huhns erstellt und über die Gewürze für die Karotten nachgedacht habe. Darin liegt der Zauber.“

Hanna in Aktion
Hanna in Aktion

Sie zeigt auf das diskrete Regalsystem hinter ihr, das mit Kochbüchern, Geschirr und hohen Einmachgläsern voller Getreidesorten vollgestopft ist, und sagt lächelnd: „Ich bin nicht die beste Köchin der Welt, aber mein Job erlaubt mir, chaotisch und kreativ zu sein und Spaß zu haben. In meiner Arbeit geht es nicht um luxuriöse Zutaten, es ist kein kulinarisches Theater. Ich möchte, dass sich die Leute sicherer fühlen, wenn sie Lebensmittel einkaufen und dass sie lernen, Rezepte richtig vorzubereiten, so dass es am Ende beim Kochen nicht zu stressig wird und mehr Spaß macht. Sogar beim „Supper-Club“ muss ich Zutaten und Zeitpläne berücksichtigen. Es gibt Ähnlichkeiten mit meinem alten Job, aber statt jahrelang an einem Projekt zu arbeiten, ist in ein paar Stunden alles vorbei – und man hat entweder ein Glas Wein getrunken und sich amüsiert, oder sich wahnsinnig gestritten und ein paar Teller zertrümmert. Wie man es auch betrachtet, es entwickelt sich immer weiter und ist nie wirklich fertig. Genau wie das Leben.“