Wie eine neue Bewegung entsteht
Wie Pas Normal Studios’ eine inklusive Radsportgemeinschaft geschaffen hat
Von: Camilla Belton
Fotos: Pas Normal Studios und Jonas Bie
Radsportbekleidung ist seit Generationen von grellen Farben und romantischen Serifenlogos geprägt, die nostalgisch an das „goldene Zeitalter“ des Radsports erinnern. Pas Normal Studios ist in diesem Kontext nun mal nicht normal. „Die Farben sind ein grundlegendes Element unserer DNA:”Sie waren schon immer mein Ausgangspunkt”, sagt Karl-Oskar Olsen, Mitbegründer und Kreativdirektor von Pas Normal Studios. „Ich verwende gerne Farben und Töne, die unseren nördlichen Teil Europas widerspiegeln und eine gewisse Ernsthaftigkeit ausstrahlen.“ Olsen hat sich so sehr seiner Farbpalette aus Erdtönen verschrieben, dass Radsportler und Radsportlerinnen, die Kleidung von Pas Normal Studios tragen, schon aus der Ferne zu erkennen sind, ganz ohne Logo.
Olsen wurde in eine traditionelle dänische Radsportfamilie hineingeboren. Sein Vater war ein talentierter Amateur-Radrennfahrer und sein Bruder, Peter Olsen, war in den 1980er Jahren Mitglied der schwedischen Nationalmannschaft. Auch Kunst war allgegenwärtig. Olsen liebte es zu zeichnen und war umgeben von linken Propagandapostern und der sozialrealistischen Kunst seiner Mutter. Als er 13 war, schenkte sie ihm ein Buch mit dem Titel ‘Subway Art’ und eine Packung Filzstifte und ermutigte ihn, weiter zu zeichnen. „Dieses Buch eröffnete eine ganz neue Perspektive in meinem Leben. Es war wie ein kreativer Sog… ich zeichnete, malte Graffiti und tauchte in eine Subkultur ein. Dabei ging es nicht nur darum, Kunst zu machen, sondern auch um den Kleidungsstil und darum, welche Art von Musik man hörte. Das Ganze prägt mich bis heute, denn als Graffiti-Künstler muss man immer wieder die Grenzen überschreiten, um relevant zu bleiben; um Teil der Kultur zu sein.”
Olsen gründete das Unternehmen 2015 gemeinsam mit seinem Freund und Radsportkollegen Peter Lange in Kopenhagen. Die Idee, technische Radsportbekleidung für eine neue Generation zu entwerfen, kam jedoch schon früher: „Peter und ich haben für uns und vier unserer Freunde ein Trikot genäht, mit dem wir zu sechst zu einem Rennen in Frankreich fuhren. Es war sehr einfach, anthrazitfarben und ohne große Logos, aber so viele Leute fragten uns, wo sie es kaufen könnten. Wir hatten zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal das Unternehmen gegründet.
„Wir beschlossen, das Trikot zu produzieren, aber wir hatten kein Geld. Also schickten wir eine Zeichnung an 100 Freunde in unserer Radsport-Community mit der Bitte um Vorauszahlung. Das Trikot würde in drei Monaten geliefert werden. Diese 100 Leute fingen dann an, in Kopenhagen damit Rad zu fahren, und so ging es los.“ Olsen führt den erfolgreichen Schneeballeffekt dieses ersten Trikots auf seine Farbe und Passform zurück. „Es war extrem enganliegend, mehr als alles andere auf dem Markt. Ich wollte schon immer etwas entwerfen, bei dem man das Gefühl hat, einen maßgeschneiderten Anzug zu tragen. Man zieht ihn an und fühlt sich sofort besonders, weil er nur für einen selbst gemacht ist. Ich glaube, unser Fokus auf Passform und Farbe hat die Menschen einfach angesprochen.“
Pas Normal Studios spiegelt Olsens dänischen Designhintergrund wider, der sowohl klassisch als auch avantgardistisch ist. Technisch gesehen ist die Kleidung auf das Wesentliche reduziert. „Radsportler sind sehr anspruchsvoll. Um auf dem Niveau zu sein, auf dem wir sein wollen, müssen wir sicherstellen, dass unsere Passform extrem aerodynamisch ist, im Windkanal getestet wurde und sehr lange hält. Die Qualität muss so sein, dass man sie ein paar hundert Mal waschen kann, ohne einen Unterschied zu bemerken. Die Form folgt wirklich der Funktion. Unsere Designregeln sind mehr oder weniger auf diese modernistische Denkweise ausgerichtet. Neben unserem Fokus auf Qualität und Funktion verfolgen wir mit unseren Mustern und Farben auch einen visuellen Ansatz, der sowohl zeitgenössisch als auch zeitlos ist. „Ich versuche immer, eine Brücke zwischen Kunst, Musik und Design zu schlagen. Das Ganze muss im Rahmen eines Radtrikots stattfinden“.
Mit seiner Vision eines anderen Kontexts für den modernen Radsport hat Pas Normal Studios etwas Außergewöhnliches aufgebaut: eine Gemeinschaft von engagierten Radsportlern und Radsportlerinnen, die sich über den ganzen Globus erstreckt. Der International Cycling Club von Pas Normal Studios organisiert Radtouren von Montréal bis Manila, die vom Unternehmen unterstützt und durch Fotografie und Film wunderschön dokumentiert werden. „Als wir das Unternehmen gründeten, wussten wir, dass wir ein Produkt hatten. Was uns fehlte, war die Möglichkeit, das eigentliche Erlebnis auf eine moderne Art und Weise zu kommunizieren – auch für Menschen, die nicht Rad fahren. Ich weiß nicht, wie oft mir Leute gesagt haben, dass sie wegen unserer Arbeit mit dem Radfahren angefangen haben. Es war eine strategische Entscheidung von uns, diese Geschichten zu erzählen.“
Wenn er darüber nachdenkt, warum das Unternehmen und der International Cycling Club so exponentiell gewachsen sind, wundert Olsen sich fast selbst. „Ich muss sagen, dass ich nicht verstehe, wie es so groß geworden ist. Als wir ausgerechnet in Singapur einen Laden eröffneten, kamen 400 Leute um sechs Uhr morgens in Pas Normal Studios-Klamotten! Wir waren am anderen Ende der Welt und fanden Menschen, die sich für das interessieren, was wir tun. Es war einfach unglaublich. Vor kurzem haben wir eine Radtour von Bangkok nach Chang Mai organisiert, zu der Leute aus Neuseeland, Taiwan, China und Australien anreisten, um gemeinsam in einem völlig neuen Land zu fahren. Sie kommen als Fremde und gehen als Freunde, das ist super inspirierend.“
In einem Sport, der traditionell von Cliquen geprägt ist, hebt sich Pas Normal Studios durch diese bewusste Inklusivität von anderen ab. „Für viele Menschen wirkt Radsport sehr einschüchternd. Es gibt viel zu lernen, man braucht die richtige Ausrüstung, man muss die Routen finden – und bis vor fünf oder sechs Jahren gab es keine wirkliche Gemeinschaft. Es gab Clubs, in denen man Mitglied sein konnte und ein bestimmtes Trikot tragen musste, aber nichts für Amateure. Ich habe mich stark von den städtischen Laufclubs inspirieren lassen. Radfahren war ursprünglich ein Sport für die Arbeiterklasse, aber es hat sich zu etwas völlig anderem entwickelt.“ Geschäfte auf der ganzen Welt, viele weitere am Horizont, Scharen von Anhängern und Anhängerinnen weltweit… Olsen führt das alles auf die Magie des Radsports zurück. „Egal ob man Art Director oder Klempner ist, da draußen auf dem Rad sind alle gleich. Wir alle spüren den Schmerz, bekommen den Wind und den Regen ins Gesicht und lassen die Landschaft, durch die wir fahren, auf uns wirken. Die Reise ist viel wichtiger als das Ziel, und das ist es, was die Menschen miteinander verbindet.“