Brown Betty
Perfekt gegossener Genuss: der erfrischende Zauber einer Tasse Tee
Worte: Vitsœ
Fotos: Bjarte Bjørkum, Angela Moore, Vitsœ
„Wenn ich Sie bitten würde, eine Teekanne aus dem Gedächtnis zu zeichnen, stünden die Chancen nicht schlecht, dass Sie eine Form im Kopf hätten, die der Brown Betty ähnelt. Ganz einfach, weil sie eine der am häufigsten hergestellten Teekannen in der britischen Geschichte ist“, erklärt der Keramiker Ian McIntyre, der im Rahmen seines Collaborative Doctoral Award von der Manchester School of Art, der York Art Gallery und der British Ceramics Biennial die Ursprünge dieser edlen Kanne untersucht.
Die Brown Betty ist weniger auf die Urheberschaft eines einzelnen Gestalters zurückzuführen als vielmehr das Ergebnis einer jahrzehntelangen Entwicklung, während der ihre Form und Funktion immer weiter verfeinert wurden. Ihre Karriere begann als günstige, funktionale Teekanne für den Alltag der Arbeiterklasse. Dieser Ursprung brachte eine Kanne mit bescheidenem Aussehen hervor, die jedoch perfekt für ihre Aufgabe geeignet ist: das Zubereiten und Eingießen von Tee. Durch die stille, zuverlässige Ausführung ihrer Arbeit erfreut sie sich seit Generationen großer Beliebtheit. Ihrer Popularität zum Trotz ist überraschend wenig über die ursprünglichen Hersteller der Teekanne bekannt.
Das Wesen der Kanne verdankt sich der Qualität des Tons, der seit über 300 Jahren in Staffordshire abgebaut wird. „Man kann mit Sicherheit sagen, dass eine Brown Betty, die nicht aus rotem Staffordshire-Ton gefertigt ist, keine originale Brown Betty ist”, erläutert Ian. Der Ton – Etruria Marl – wurde erstmals um 1695 von zwei niederländischen Brüdern, John Philip und David Elers, in Bradwell Woods, North Staffordshire, verfeinert. Zuvor stellten kleine, familiengeführte Töpfereien Rohwaren wie Buttertöpfe her, damit die Landwirte ihre Produkte zum Markt transportieren konnten.
Die Brüder verwendeten den roten Ton, um Teekannen herzustellen. Dabei ahmten sie die teuren Steingut-Yixing-Teekannen nach, die von der East India Company aus China importiert wurden, denen sie Konkurrenz machen wollten. Es gilt als gesichert, dass die Veredelung des Tons, der zuverlässig der Temperatur von siedendem Wasser standhalten konnte, ohne zu zerbrechen, neue technologische Experimente in Staffordshire befeuerte und zu einem wichtigen Katalysator für die Industrialisierung der sechs Städte von Stoke-on-Trent wurde.
„Die Brown Betty ist ein rein rationales Design, von allem befreit, das nicht direkt ihrer Funktion oder Produktionsmethode dient“, erklärt Ian, der sich im Laufe seines Studiums mehrere Brown Bettys mit unterschiedlichen Formen, Herstellungsdaten und Produzenten beschaffte, um die Prinzipien hinter der Veränderung des Designs zu analysieren. Er stellte fest, dass sich die Grundform der Brown Betty im Laufe der Jahre zu einer Kugel wandelte, die als ideale Form angesehen wurde, um losen Blatttee aufzubrühen. Form und Stärke der Wände halten den Tee warm.
Der innovativste Hersteller von Brown Betty waren Alcock, Lindley und Bloore im 20. Jahrhundert. Der Körper einer Teekanne von Alcock, Lindley und Bloore bestand aus drei Teilen: Die Kugel wurde geformt, bevor Griff und Auslauf angebracht wurden. Das ermöglichte es dem Töpfer, ein grobes Lochgitter in die Kugel zu schlagen, bevor er den Auslauf anbrachte. Dieses Gitter hielt die Teeblätter beim Ausgießen in der Kanne zurück. Solche Details hat die Brown Betty im Laufe der Jahre leider wieder eingebüßt, da sie in einteiligen Formen gegossen wurde, um Herstellungskosten zu senken. Ian jedoch empfand genau diese Feinheiten als grundlegend für die Authentizität von Brown Betty und machte sich daran, eigene Kannen herzustellen, um sämtliche Einzelheiten des Designs besser zu verstehen.
Er fand außerdem heraus, dass der ergonomisch geformte Griff mit seiner großzügigen Schlaufe die Greifhand intuitiv so platziert, dass die Hebelwirkung ideal genutzt wird. So minimiert sich die Belastung des Handgelenks beim Eingießen, während zugleich der Rücklauf am oberen Ende der Schlaufe die Gefahr von Verbrennungen am Fingerknöchel vermeidet. Auf den ersten Blick erschien Ian der Auslauf bei den historischen Teekannen schlecht verarbeitet, doch er war vom Handwerker absichtlich grob geschnitten worden: Die scharfen Kanten an der Öffnung und direkt unter der Lippe unterbrechen den Wasserfluss und verhindern, dass Tee an der Außenseite der Kanne zurücktropft. Um ganz sicher zu gehen, wurde optional ein patentierter tropfenfreier Auslauf eingeführt. Er funktionierte wie ein Hahn und sorgte für einen geraden Guss und beseitigte fast magisch jedes noch so kleine Tröpfeln.
Eine klassische Brown Betty ist entweder in der satten braunen Rockingham-Glasur oder einer transparenten Glasur gehalten, die die natürliche Farbe des Tons offenlegt. Beide haben den Vorteil, dass Flecken und Spritzer auf der Kanne unentdeckt bleiben. Bilden sich mit der Zeit Risse in der Glasur, zeigt sich darunter die rote Farbe des Tons und verlängert mit einer charakteristischen Patina die Lebensdauer der Kanne.
Um zu verhindern, dass der Deckel beim Gießen herunterrutscht, fand man eine geniale Lösung: Der Deckel gleitet im gekippten Pott nach vorne in eine Nut im Kragen, die ihn an seiner Position festhält. Kippt die Kanne zurück in die Horizontale, wird der Deckel gelöst. Dieses patentierte Design ermöglicht auch das Stapeln der Kannen zur Aufbewahrung, indem der Deckel verkehrt herum auf den Pott gestellt wird. Zu diesem Zweck bleiben Auslauf und Griff unter dem Kragen des Kannenkörpers, was auch bedeutet, dass die Brown Betty nach dem Auswaschen verkehrt herum abtropfen kann.
2016 stellten wir Ians theoretische und praktische Forschungen zur Geschichte von Brown Betty in einer Ausstellung bei Vitsœ London vor. Er zeigte Gussformen, hergestellt aus einer originalen Teekanne von Alcock, Lindley und Bloore, sowie neue, aus rotem Staffordshire-Ton gegossene Kannen. Sein Studium von Form und Funktion der Brown Betty mündete in die Entwicklung seines ersten eigenen Brown Betty-Prototyps.
Im Anschluss an die Schau tat sich Ian mit Cauldon Ceramics aus Staffordshire zusammen, einem kleinen Handwerksbetrieb für traditionelle rote Töpferwarer: der älteste verbliebene Hersteller der Brown Betty-Teekanne in Großbritannien. Gemeinsam machten sie sich daran, diese glänzende Schönheit neu zu produzieren. Mit Sorgfalt und großem Respekt für die jahrzehntelange Geschichte achteten sie auf Erhaltung traditioneller Details wie den patentierten Verschlussdeckel und den tropffreien Auslauf. Unter Verwendung des originalen Tons implementierten sie neue Produktionsprozesse und Designdetails, um eine authentische, klassische Brown Betty herzustellen.
Ians Liebe zum Detail hat dafür gesorgt, dass die traditionellen Charakteristika der Kanne erhalten blieben. Diese jüngste Edition der Brown Betty soll das Erbe und den Wert dieses Alltagsgegenstandes fördern, der über alle Moden und Trends hinweg ein schöner, zuverlässiger Begleiter geblieben ist. Oder, wie Ian sagt:
„Ich persönlich bin der Meinung, dass die Brown Betty ein Gegengewicht zur scheinbar endlosen Flut neuer Produkte ist, die täglich in der Designbranche eingeführt und wieder eingestellt werden. Für mich spiegelt diese Geschichte die Hingabe an ein Material oder ein Design und die Verfeinerung eines Herstellungsprozesses wider, die zu einem Klassiker geführt haben – nicht aus Gründen der Nostalgie, sondern weil er seine Funktion optimal erfüllt.”
Ians Neuauflage der Brown Betty wurde vom London Design Museum als Beazley Design des Jahres 2018 nominiert und in die ständigen Sammlungen von Victoria & Albert Museum, Manchester Art Gallery, York Art Gallery und London Design Museum aufgenommen. Das V&A hat einen Kurzfilm zur Brown Betty produziert, den Sie hier sehen.
Bestellen können Sie die Brown Betty bei Labour and Wait.