Ein Lob der Unvollkommenheit
Maler Erik Schmidt über die Spuren der Zeit in seiner Berliner Wohnung
Worte: Vitsœ
Fotos: Ana Santl
„Hier wohne ich im Himmel“, sagt Erik Schmidt, ein Maler, der seit 19 Jahren glücklich in der gleichen Berliner Wohnung lebt. Sein Zuhause in der obersten Etage eines DDR-Wohnblocks wurde ursprünglich 1970 als Künstlerresidenz erbaut, mit Wohnräumen im Erdgeschoss und einem Atelier darüber.
Bodentiefe Fenster bieten einen Panoramablick auf die Stadt und überfluten die Räume den ganzen Tag über mit Licht. Polster und Buchrücken sind schon etwas verblasst vom jahrelangen Sonnenlicht – eine Unvermeidlichkeit, die Erik begrüßt, der dem Trend zu poliertem Minimalismus „einen gemütlichen Ort zum Leben“ vorzieht.
„Als ich die Wohnung übernahm, begann ich sofort, Dinge zu ändern. Ich habe die Räume an mein neues Leben angepasst. Das Studio wurde zur Lounge, ich habe Möbel auf Flohmärkten gekauft oder auf der Straße gefunden. Die beiden 620 Sessel von Vitsœ habe ich vor zwölf Jahren secondhand gekauft – noch mit originalen Stoffbezügen. Ich liebe die Freiheit, Dinge auseinanderzunehmen und wieder zusammenzubauen, um zu sehen, wie sie gemacht sind. Die Freiheit, immer in der Lage zu sein, mein Leben zu erneuern und zu verändern.“
Erik ist in Deutschland in einem Haus mit Antiquitäten aufgewachsen: „Die meisten waren dunkel, schwer und schwer zu bewegen”, erzählt er. „Sobald ein Stück seinen Platz gefunden hatte, blieb es für immer an ein und demselben Ort. Ich fand den Gedanken, dass die Dinge nicht hin und wieder bewegt werden konnten, schon als Kind seltsam.“
„Jetzt, wo ich in einem so hohen Stockwerk wohne, kann ich mir kein drei Meter langes Sofa vorstellen – allein den Stress, es hier hoch zu bekommen und dann nicht bewegen zu können, möchte ich mir nicht antun. Das ist einer der Hauptgründe für Vitsœ.“
Noch immer sind Farbkleckse hinter dem Regal auf den Betonwänden von Eriks Wohnzimmer erkennbar – ein Überbleibsel aus Tagen, in denen er die Wohnung mit einem Freund teilte und das Atelier täglich genutzt wurde.
„Wenn ich Dinge kaufe, möchte ich sie für immer behalten. Ich weiß, für eine Menge Leute bedeutet Vitsœ eine Möglichkeit der Kontrolle, aber ich sehe das anders. Das Regal ist wie ein Gemälde … es ist nie abgeschlossen. Meine Objekte sind wie Formen und Farben, die ich umherschieben kann.“
„Ich mag die Idee eines zuverlässigen Systems von Dingen, die ich verändern kann, wann immer ich will. Ich hasse das Gefühl von ‘fertig’ – es ist ein schrecklicher Moment.“
Eriks freier Umgang mit Innenarchitektur schafft Wärme und Textur. Die meisten seiner Möbel tragen die Narben des täglichen Gebrauchs, die „ihnen nur mehr Charme verleihen. Viele meiner Sachen haben Kratzer und leichte Schäden, aber für mich sind sie nicht ‘kaputt’, sondern sie werden ‘genutzt’. Die Dinge werden alt. So ist das Leben.”